TONY CONRAD – COMPLETELY IN THE PRESENT O.m.U.

 

von Tyler Hubby

Wer war Tony Conrad (1940-2016)? Ein Musiker, der nicht komponieren, sondern das Konzept von Komposition zerstören wollte. Ein Filmemacher, der Zelluloid lieber einkochte und in Einweggläser ausstellte, als darauf zu drehen. Ein Performer, der nie auf dem besten, sondern stets auf dem schlechtesten Instrument spielte, das verfügbar war.

In den frühen 60er Jahren begründet Tony Conrad zusammen mit John Cale und La Monte Young den musikalischen Minimalismus, schafft hypnotische Soundtracks für Filme von Jack Smith („Flaming Creatures“, 1963) und Ron Rice („Chumlum“, 1964), revolutioniert mit seinem ersten eigenen Film „The Flicker“ (1966) das US-Experimentalkino und macht mit seinen Freunden Lou Reed und John Cale zusammen Musik, bevor die beiden in seinem Apartment The Velvet Underground gründen. In den 70er Jahren nimmt er ein legendäres Album mit der Krautrock-Band Faust auf, geht als Professor für Medienwissenschaft nach Buffalo und wird zum Pionier des Offenen-Kanal-Fernsehens. In den 90er Jahren entdeckt man ihn als Musiker und Performer neu. Heute gilt Conrad als einer der einflussreichsten US-amerikanischen Multimedia-Künstler des 20. Jahrhunderts.

Mit einer Fülle von Film- und Musikaufnahmen aus Conrads Fundus zeichnet Dokumentarfilm-Regisseur Tyler Hubby dessen sagenhaftes Künstlerleben nach: von Conrads Anfängen als Mathestudent in Harvard über jene höchst produktive Zeit als Avantgarde-Musiker und -Filmemacher in New York und seine Jahre als Hochschullehrer und Medienaktivist bis zu den spektakulären Performances und Ausstellungen der letzten Jahre. Hubbys eigene Aufnahmen von Conrad, die über einen Zeitraum von 22 Jahren entstanden sind, geben intime Einblicke in die Arbeitsweise eines Mannes, der sich stets einer Professionalisierung der eigenen Kunst und einer Vereinnahmung durch Institutionen der Hochkultur widersetzt hat. Das Porträt eines kompromisslosen Künstlers.